Der FCC sagt: Danke Backi!

05.05.2018

Höchste NOFV-Auszeichnung zum Abschied: Verdienstadel für Hans-Jürgen Backhaus

Am Montag hatte der FC Carl Zeiss Jena den bisherigen Leiter des Nachwuchsleistungszentrums in den Ruhestand verabschiedet. Beim letzten Heimspiel der Saison stand er noch einmal im Mittelpunkt: Fortan ist Hans-Jürgen Backhaus Träger der Verdienstnadel des Nordostdeutschen Fußballverbandes.

Für mehr als 32 Jahre stand „Backi“ im Dienst der Nachwuchsausbildung des Klubs, mehr als 19 Jahre war er zuletzt gar Leiter des Nachwuchsleistungszentrums unseres FC Carl Zeiss Jena. 

„Seine Arbeit war gekennzeichnet von Beharrlichkeit und Bescheidenheit“, sagte Peter Brenn, der 1. Vizepräsident des Thüringer Fußball-Verbandes, in seiner Laudatio.

Backhaus habe Generationen hervorragender Spieler geprägt, die sich als Erwachsene nicht nur in Jena, sondern auch in den höchsten Profiligen und der Nationalmannschaften hatten durchsetzen können, sagte Brenn.

FCC-Präsident Klaus Berka dankte „Backi“ für dessen stets „aufopferungsvolle und hervorragende“ Arbeit. „Er ist damit ein Vorbild für den Sport in Jena“, sagte Berka anerkennend. Uwe Dern, der sich im Vorfeld der Ehrung ein Autogramm seines Freundes abgeholt und mit ihm kurz auch in fotografischen Erinnerungen geschwelgt hatte, überreichte dem 63-Jährigen zum Abschied ein von der ersten Mannschaft signiertes Trikot.

Lesen Sie zur Verabschiedung "Backis" nachfolgenden, am Samstag (5. Mai) im FCC-Stadionheft "Anpfiff" erschienenen Beitrag:


Das Ende einer Ära...

Hans-Jürgen Backhaus sitzt in seinem Büro im „Südflügel“ des Stadions. Die Kaffeemaschine auf dem Fensterbrett mahlt die letzten Bohnen, das Telefon klingelt beinahe im Minutentakt – immerzu schallt ein fröhliches „Backhaus vom FC Carl Zeiss Jena“ über den Flur. Das kleine Schild neben der Bürotür trägt neben dem Namen auch den Titel: Leiter Nachwuchsleistungszentrum. Für nunmehr 19 Jahre steht „Backi“ an der Spitze der Fußballer-Ausbildung beim Klub; mehr als 32 Jahre arbeitet er insgesamt im Verein mit. „Ich habe mein halbes Leben hier verbracht“, sagt er. Dieser Tage kommt es zur Zäsur. Dann nämlich geht der Jenenser in den wohlverdienten Ruhestand. Wehmut verspürt der 63-Jährige noch nicht. „Aber ich weiß genau, wenn der Tag erst einmal gekommen ist, dann...“, sagt er und blickt schweigend durch die großen Fenster hinaus auf die Saale. Viele Generationen junger Fußballer hat der dienstälteste Leiter eines Nachwuchsleistungszentrums innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes kommen und auch gehen sehen. Ohne jeden Zweifel prägte er den Verein, ist er eine dessen guter Seelen. Mit seinem Fortgang endet eine Ära.

Dem FC Carl Zeiss Jena ist Backi seit frühester Kindheit verbunden und treu. Schon als Sechsjähriger ging er ins Stadion. In erster Linie, um dort sein Idol Peter Ducke spielen zu sehen. „Der ist bis zum heutigen Tage unerreicht“, sagt Backhaus und schwärmt von der Qualität und individuellen Klasse des Mannes, den er über die gesamte Spielzeit stets im Blick behielt. Er nennt Helmut Müller, Hans-Ulrich Grapenthin und Lothar Kurbjuweit: „Diese Leute haben für mich die Fußballwelt verkörpert“, sagt Backhaus, der damals selbst noch im Trikot der BSG Chemie Jena steckte. Als 14-Jährigen holten ihn die Verantwortlichen zum Klub. „Ich hatte sie in zwei Spielen abgeschossen und dann sagten die, der Backhaus muss hier rüber“, erinnert sich der torgefährliche Linksaußen und lacht. Er durchlief die Jahrgänge Schüler, Jugend und Junioren an der Seite prominenter Weggefährten wie Gert Brauer, Klaus Schröder und Dietmar Sengewald. Den Sprung in die Männermannschaft des FCC schaffte Backhaus aber nicht. „Ich konnte mich gut einschätzen und wusste, dass es für den großen Fußball nicht reicht – dieser Illusion habe ich mich nie hingegeben“, sagt er. Das Bestreben, Fußball zu seinem Lebensinhalt zu machen, hatte der gelernte Elektroniker indes schon. Er wechselte zunächst zurück zu Chemie und ging in der drittklassigen Bezirksliga auf Torejagd Mit 23 Jahren beendete eine schwere Gelbsucht seine leistungssportlichen Ambitionen. „Ich bin dann sofort ins Trainergeschäft eingestiegen“, sagt Hans-Jürgen Backhaus. Bei Chemie trainierte er den Nachwuchs und jene Herrenmannschaft, in der er zuvor selbst gespielt hatte. Im Jahr 1986 klopfte abermals der Klub an: Der damalige Sportliche Leiter Wolfgang Schakau holte ihn als hauptamtlichen „Mitarbeiter der sportlichen Ausbildung“ ins einstige „Bezirkstrainingszentrum des FC Carl Zeiss Jena“. Er trainierte Mannschaften aller Jahrgänge, von der heutigen U12 bis zur Zweiten. Der erste bedeutende Meilenstein seiner Arbeit war 1988 die Begründung des Karl-Schnieke-Gedenkturniers gemeinsam mit Wolfgang Schakau und Klaus „Bobby“ Schwarz. Im ersten Turnierjahr trainierte Backhaus die daran teilnehmende Knaben-Auswahl des Klubs höchstselbst. Welchen Stellenwert das Turnier einmal erlangen würde, ahnte damals niemand. Unvorbereitet trafen den Verein kurz darauf die durch die Wende ausgelösten Turbulenzen: Die, die mit der Staatssicherheit kooperiert hatten, mussten den Verein ungeachtet ihrer Reputation verlassen. Backhaus war unbescholten und blieb. An der Seite des neuen Nachwuchsleiters Bobby Schwarz habe er den Laden in jenen Jahren zusammen gehalten. Plötzlich verlangte die neue Ordnung von den Trainern auch betriebswirtschaftliche Qualitäten. Zu DDR-Zeiten wurde der Verein durch den Kreisvorstand des Deutschen Turn und Sportbundes und das Unternehmen Carl Zeiss bezahlt. Diese Finanzierung endete mit der Wiedervereinigung abrupt. Da die Mittel fehlten, mussten hauptamtliche Trainer entlassen werden. „Für uns war es absolutes Neuland, hinauszugehen, um bei Unternehmen um Spenden zu bitten. Wir hatten keine Mitarbeiter, die sich damit auskannten“, berichtet Backhaus. Letztlich schaffte die Trainerschar unter großen Anstrengungen die notwendigen Rahmenbedingungen. Hinzu kam, dass das Bezirkstrainingszentrum schlagartig seinen Unterbau verlor – im Bezirk Gera hatten dereinst die flächendeckenden Trainingszentren den Auftrag, die größten Talente der Region nach Jena zu bringen. „Von jetzt auf gleich mussten wir Möglichkeiten finden, diese Talente selbst aufzuspüren“, sagt Backhaus. Die Organisation eigener Sichtungsaktivitäten sei eine riesige Herausforderung gewesen – eine, die der Verein meisterte. Unverändert blieben die infrastrukturellen Bedingungen am Standort: Von der Symbiose zwischen Sportschule und Leistungszentrum profitiert der Verein bis in die Jetztzeit. Nahtlos knüpfte der Nachwuchs dann auch in der Bundesrepublik an frühere Erfolge an. Beispiel B-Junioren: Nach dem Gewinn der DDR-Jugendmeisterschaft im Jahr 1987, erreichte die von Peter Grumm trainierte Auswahl im Jahr 1993 das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft – im Ernst-Abbe-Sportfeld unterlagen die Blau-Gelb-Weißen um Robert Enke, Torsten Ziegner und Frank Berger jedoch Borussia Dortmund. Dieselbe Truppe gewann im Folgejahr den Landespokal, den Deutschlandpokal, Stand im Endspiel um den Europapokal und holte letztlich gar den Starball-Weltpokal in Tunesien.
Im Jahr 1999 trat Backi schließlich in die großen Fußstapfen seines Mentors und Freundes Bobby und wurde Nachwuchsleiter beim Klub. Trotz der zusätzlichen administrativen Tätigkeiten, blieb Backhaus für weitere zehn Jahre auch Trainer. „Die Doppelfunktion schlauchte; irgendwann ging es nicht mehr“, sagt er nachdenklich. Anfangs sei ihm der Rückzug vom Trainingsplatz nämlich schwer gefallen. Fortan unterstütze ihn Stefan Treitl als sportlicher Leiter der Nachwuchsabteilung. „Wir waren ein gutes Team, haben uns wunderbar ergänzt. Stefan hat an der Entwicklung der vergangenen mehr als zehn Jahren großen Anteil“, sagt Backhaus dankbar. Den ersten Meilenstein in seiner neuen Position setzte der damals 48-Jährige bereits im Jahr 2003, als der Deutsche Fußball-Bund das Nachwuchsleistungszentrum auf seine Initiative hin lizensiert; kurz darauf wurde die Sportschule zur „Eliteschule des Fußballs“ ernannt. „Damit waren wir Vorreiter in den neuen Bundesländern“, sagt Backhaus stolz. Der Verband sah Jena als den „Leuchtturm der Nachwuchsausbildung im Osten“ an. Bis heute verlieh der DFB die Lizenz stets ohne jede Auflage. „Das schaffen nicht viele Vereine – wir schon“, betont Backhaus. Unter Präsident Rainer Zipfel wurde er in der Saison 2004/2005 Mitglied des Präsidiums und darin die starke Stimme der Jugend. Froh ist Backhaus, dass es dem FC Carl Zeiss Jena in jüngerer Vergangenheit viele Jahre gelang, seine U19 und seine U17 in der A- und B-Junioren-Bundesliga Nordost zu halten. Und das trotz der Tatsache, dass der Klub mittlerweile als David gegen viele finanziell übermächtige Goliaths antreten müsse. Dass dieser große Unterschied auf dem Rasen oft nicht im selben Maße zur Tage trete, sei Indiz für die erstklassige Arbeit vor Ort. Diese gute Ausbildung ist für zahlreiche Jenaer Talente Türöffner bis in die höchsten Ebenen des Profifußballs gewesen. Die Beispiele sind zahlreich – darunter: Bernd Schneider, Robert Enke, Jörg Böhme, Nils Petersen, Tobias Werner oder Norman Theuerkauf. Im Fokus der Ausbildung stehe ganz grundsätzlich aber auch die Entwicklung junger Menschen zu starken Persönlichkeiten, ungeachtet dessen, ob diese letztlich Fuß im Profisport, in der Wirtschaft oder der Wissenschaft fassten. „Da machen ich keinen Unterschied; ich begegne allen mit dem gleichen Respekt“, sagt Hans-Jürgen Backhaus. Der Leistungsfußball sei für jeden Jugendlichen, der die Etappen durchlebe und meistere, in jedem Fall prägend – besonders in Sachen Durchsetzungsvermögen, Fleiß, Willensstärke, Risikobereitschaft und Mut.

Nachdem er seinen Schreibtisch im Ernst-Abbe-Sportfeld hinter sich lässt, will er die neu gewonnene Freizeit in erster Linie der Familie, den Enkeln widmen. Sich allerdings voll und ganz aus dem Fußballgeschäfts zurückzuziehen, kann sich Backhaus nicht vorstellen. Er trete in das zweite oder dritte Glied zurück und werde dort mithelfen, wo es sinnvoll und erwünscht ist. Keinesfalls aber wolle er die „graue Eminenz“ sein, die der nächsten Generation immerzu streng auf die Finger schaue. Seinem Nachfolger Heiko Nowak gibt er deshalb auch nur einen einzigen Wunsch mit auf den Weg: „Möge er es gleich tun und dabei noch besser machen“, sagt Backhaus. Was ihm der FC Carl Zeiss Jena bedeute, bedarf keiner Überlegung. Er trinkt einen letzten Schluck Kaffee und sagt bedächtig: „Dieser Verein ist mein Leben!“

 

Platin Sponsor