Im Gespräch: FCC-Geschäftsführer Patrick Widera

10.05.2025

Zum Abschluss der aktuellen Spielzeit haben wir die Gelegenheit genutzt, um für unser Stadionmagazin "Anpfiff" mit dem Geschäftsführer des FC Carl Zeiss Jena, Patrick Widera, zu sprechen. Ein Interview, das wir Euch auch hier gern zur Verfügung stellen möchten.

Die Saison neigt sich dem Ende. Jeder Fan, jeder Anhänger bilanziert die Saison. Und das tut sicher auch der Geschäftsführer. 

Natürlich. Und dabei habe ich insgesamt mehr die zwei Jahre seit meiner Rückkehr nach Jena im Blick als nur die zu Ende gehende Saison. Für diese Saison kann ich sagen, dass diese sportlich wie wirtschaftlich relativ erfolgreich war. Ich denke da an den Aufstieg unserer Frauen im Sommer - und deren Klassenerhalt - einige Sondereffekte, mit denen man natürlich nicht immer planen kann wie die DFB-Pokalteilnahme und das damit verbundene Losglück, das uns den amtierenden Doublesieger bescherte, die gelungene Stadioneröffnung gegen die U.C. Sampdoria aus Genua, und ich denke an den furiosen Saisonstart mit sechs Saisonsiegen zum Auftakt. Da gab es viele positive Effekte, die uns halfen, aber uns auch nicht den Blick verstellen dürfen.

Den Blick worauf?

Wir haben uns vor zwei Jahren vorgenommen, eine nachhaltige Konsolidierung des Clubs und eine Herstellung einer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Unser Ziel ist es, mit dem FCC wieder in eine Situation zu kommen, dass der Verein so aufgestellt ist, dass er aufgrund seiner gegebenen inneren Stärke sportlich wieder aufsteigen wird. 

Das klingt nachvollziehbar - aber auch nach Geduld.

Ja, und ich verstehe auch, dass es da manchen Fans nicht schnell genug geht, es ihnen zu lang dauert. Aber denen kann ich sagen, dass wir mit der ablaufenden Saison auf diesem Weg im Plan liegen. Um das vielleicht mal zu illustrieren: Aktuell liegen wir - gemessen an den Grundgehältern, die wir unseren Fußballern zahlen können - irgendwo auf Rang sechs oder sieben in der Regionalliga. Und genau in dieser Region befinden wir uns aktuell auch sportlich; vielleicht sogar etwas besser. Gelingt es uns - und das ist das Ziel - wirtschaftlich stärker zu werden, wird das zwangsläufig auch auf unsere sportliche Leistungsfähigkeit einzahlen. Wenn wir sehen, dass mit dem CFC, dem BFC oder Altglienicke Vereine in der Tabelle hinter uns liegen, die aktuell mehr in den Kader als wir investieren, dann hilft dies vielleicht auch beim Einordnen unseres sportlichen Abschneidens.

Wir werden in der kommenden Saison, so wurde es kommuniziert, beim Budget für den Kader trotz dessen, dass wir in diesem Sommer kein DFB-Pokal-Spiel in Jena sehen werden, keine Abstriche machen. 

Ja, das ist so - und das ist auch richtig. Denn man muss sagen, dass wir uns in den vergangenen Jahren gerade bei den Kaderkosten schon etwas „gesund gespart“ haben. Das ist Teil eines Konsolidierungsprozesses, der vor drei Jahren - damals noch unter Geschäftsführer Chris Förster - begonnen und in den letzten beiden Jahren fortgeführt und intensiviert wurde. Dabei verstehe ich jeden Fan, der nachfragt: „Was passiert denn jetzt mit dem Sport? Mit dem Fußball?“ Und da geht aktuell nicht mehr, auch wenn wir natürlich gern mehr wollen.

Die Wahrnehmung unseres Clubs ist ja oftmals eine andere:  Das neue Stadion, 7.000 Zuschauer im Schnitt, ein gut laufendes Merchandising und eine immer erfolgreicher werdende Vermarktung. Da muss doch in Jena mehr möglich sein als in Altglienicke und Co.

Unser Club ist anders als Altglienicke und Co. Manche sagen, er ist schwer - ich würde eher sagen, dass  er breit ist - oder besser: sehr breit aufgestellt ist. Es gibt vermehrt Clubs in der Regionalliga, die zu Lasten der Breite, zum Beispiel zu Lasten des eigenen Nachwuchses mehr und mehr Mittel in die 1. Mannschaft umleiten. Das ist legitim und will ich gar nicht bewerten. Aber für unseren FCC kann ich sagen, dass dies nicht der Weg ist, den wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern definiert haben. Zudem haben wir neben dem Fokus auf unser NLZ, das sehr breit aufgestellt und auch sehr erfolgreich ist, auch den Frauenfußball, den in dieser Form kein anderer Regionalligist unterhält - was uns als Erstligist wirtschaftlich aber hilft auch das muß man an dieser Stelle noch einmal herausheben. Das ist unser Weg, der uns langfristig helfen soll. Und das betreiben wir konsequent. Aber ja: Ich verstehe die Leute, die auf unser Stadion schauen und sagen, dass dann aber auch sportlich der nächste Schritt her muss. Es ist in der Wahrnehmung der Fans, Zuschauer oder Mitglieder sicher eine „Fehlprogrammierung“, dass ein neues Stadion gebaut wird – aber keine Einnahmen daraus in die sportliche Entwicklung fließen können – und da kann ich nicht widersprechen; lediglich jeden Tag für eine Verbesserung arbeiten.

Warum ist dies bei uns - noch - nicht so?

Es ist so, dass der FCC zwar sehr breit aufgestellt ist, aber all die Dinge, wo wir auch vorangekommen sind, eben vor allen Dingen in den Erhalt genau dieser Struktur fließen - auch und vor allem in dieses Stadion, in die Kosten für die Sicherheit und in den Spielbetrieb. Deshalb sind wir noch nicht in der Situation, den Aufwand für unsere 1. Mannschaft zu erhöhen. Wie vorhin angedeutet wurde dieser in den letzten Jahren reduziert. Dies war aber nötig, da das über viele Jahre von Roland Duchatelet jährlich gedeckte strukturelle Defizit von etwa 1,5 Millionen Euro nach der Beendigung dieser Unterstützung ja nicht einfach weg ist. Dies zu reduzieren war bzw. ist das Ziel, das wir erreichen müssen. Ich betone müssen, denn wir haben keinerlei Netz mehr, welches uns darüber hinaus auffangen würde.

Wo sind wir auf diesem Weg? Unser Club hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Ende der Saison 2025/2026 dieses strukturelle Defizit zu schließen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Aber wo stehen wir - ein Jahr zuvor - auf diesem Weg?

Es ist uns gelungen, dies in etwa zu halbieren. Wir sind alsodurchaus vorangekommen. Aber man sieht eben auch: da fehlt noch was. Ich kenne die Auffassung oder den Wunsch, dass wir im Sport mal ins Risiko gehen sollten. Dieser Wunsch verkennt aber die Tatsache, dass wir mit dem, was wir tun, schon ins Risiko gehen. Aber ich denke, dass wir hier bisher eine gute Balance zwischen Konsolidierung und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit gefunden haben. In dieser Saison sieht es aktuell so aus, dass wir es - mit Sondereffekten - geschafft haben könnten, unsere Kosten aus eigener Kraft komplett zu deckeln.

Kann man also sagen, dass diese Saison „die schwarze Null“ erreicht wird?

Ich hoffe - so sieht es, wie gesagt, aus - dass es darauf hinausläuft. In jedem Falle sollte es klappen, dass wir in einem ausgeglichenen Bereich landen werden. Das ist eine unglaubliche Leistung der Kolleginnen und Kollegen der Geschäftsstelle denen ich bei dieser Gelegenheit herzlich für ihren Einsatz, weit über das „Normalmaß“ hinaus, danke.

Also liegen wir über dem Plan?

Das würde ich nicht sagen, da wir uns sonst auf die Schulter klopfen würden für Sondereffekte, die wir nicht planen konnten. Aber wir sind, da wiederhole ich mich gern, auf dem richtigen Weg. Das nächste Jahr, in dem wir für Männer und Frauen mit gleichen Ausgaben für die jeweiligen Kader planen, wird diesbezüglich nochmals ein harter Test. Ich weiß, dass dies Isabell Knipp und Miroslav Jovic nicht glücklich macht, da sich die Ligen weiterentwickeln, aber wir gleichzeitig das Ziel haben, mit gleichbleibenden Mitteln sportlich besser werden zu wollen. 

Eine „schwarze Null“ ist mit Blick darauf, wo wir herkommen, ein Riesenschritt. Aber mit einer schwarzen Null bleibt eben auch nichts übrig, um Altlasten abzubauen. 

So ist es. Ein ausgeglichenes Ergebnis ist toll, aber es genügt nicht, um das, was wir aus früheren Spielzeiten wieder und wieder vor uns herschieben und in die jeweils neue Saison mitnehmen, abzutragen. Wir starten unsere Saison quasi nicht bei Null, wie wir es gern täten. Beispiel: Der FCC hat in Corona-Zeiten ein Darlehen aufgenommen über 800.000 EUR, das uns jede Saison mit etwa 90.000 EUR Zins und Tilgung belastet. Ein anderes Beispiel: so gibt es Belastungen, die jeweils zum Ende des „alten Geschäftsjahrs“ bis 30. Juni fällig sind und wir diese dann schon mit Erlösen zum Beispiel aus Dauerkartenverkäufen im Juli, August bestreiten müssen; die Verbindlichkeiten „rollieren“ also eher und werden durch neue Verbindlichkeiten „ersetzt“ – und im Saisonverlauf fehlt dann natürlich diese Liquidität. Einfach gesprochen: Wir bezahlen alte Rechnungen mit neuem Geld. Und aus diesem Kreis müssen wir raus, damit wir nicht nur ein gutes Ergebnis, sondern auch eine bessere Liquidität hinbekommen. Unser Ziel ist es, dafür arbeiten wir, dass wir nicht nur Altlasten abtragen, sondern dazu kommen, in den Sport zu investieren. Denn wir sind ein Fußballclub und keine Bank oder Immobilienverwaltung. Unser Ziel ist sportlicher Erfolg. Und dafür muss man in ihn mehr investieren. Ich würde dies gern. Aber: Es ist aktuell nicht mehr möglich als das, was wir tun. 

Wie kommen wir dahin, mehr tun zu können? Was stimmt optimistisch?

Wir haben uns in den wesentlichen Ertrags- und Umsatzsäulen wirklich positiv entwickelt. Als ich 2022/2023 anfing, hatten wir im Bereich Sponsoring 1,4 Million Euro erreicht. Heute stehen wir bei 2,8 bis 3 Million EUR - also mehr als eine Verdopplung. Im Bereich der Spielbetriebserlöse lagen wir bei ca. 900.000 EUR. Da werden wir wahrscheinlich auf über 1,8 Mio. EUR hinauslaufen - wieder eine Verdopplung. Und im Bereich Merchandising werden wir in dieser Saison vielleicht sogar erstmals siebenstellig werden und im Umsatz die Millionengrenze knacken. Und nun werden sich die Fans völlig berechtigt fragen: Was passiert damit? Das geht alles in die Infrastruktur und in den Spielbetrieb. Wir haben eine deutlich höhere Mietbelastung, signifikante Steigerungen beim gewerblichen Ordnungsdienst und dem Erhalt der Infrastruktur. Das ist ein großes Thema. Diese Kosten sind mit den Erträgen mitgewachsen oder aus der entstandenen Infrastruktur erwachsen. Aber hier versuchen wir, durch vertragliche Anpassungen und Nachjustierungen eine nachhaltige Verbesserung zu erzielen. Das ist im Übrigen im Interesse aller Beteiligten. 

Zum Abschluss: Was waren aus der Sicht des Geschäftsführers in dieser Saison Meilensteine?

Da gab es positive wie negative und nicht nur im sportlichen Bereich. Ich denke an unser 0:1 zuhause in doppelter Unterzahl gegen Lok Leipzig, wo wirklich alles zusammenkam und ich schon am Spieltag das Gefühl hatte, dass dies einen Wendepunkt der ganzen Saison darstellen könnte, zumal wir uns zu diesem Zeitpunkt ja schon in einer verletzunsgbedingt personell schwierigen Situation befanden. Und positiv kann ich persönlich hervorheben, als sich zum Jahresende 2024 beim Jahreszwischenabschluss abzeichnete, dass wir uns wirtschaftlich auf dem richtigen Weg hin zu einem ausgeglichenen Jahr befinden. Deshalb auch mein Appell: Wir müssen noch ein bisschen durchhalten. Wir werden das hinbekommen, aber wir brauchen auf der Strecke wohl noch zwei bis drei Jahre, um die nachhaltige Grundlage zu organisieren, um sportlich mehr investieren zu können und uns nach vorn zu entwickeln. Und auch wenn wir dafür noch viel Arbeit leisten müssen: Da hatte ich zum ersten Mal wirklich das Gefühl, dass wir es packen können.

Und dafür weiterhin viel Kraft und natürlich Erfolg! Vielen Dank für das Gespräch.

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