Sehr geehrte Damen und Herren,
die jüngsten Äußerungen von Rainer Koch, 1. Vize-Präsident des DFB, veranlassen uns zu nachfolgender Reaktion, weil diese aus unserer Sicht entscheidende Tatsachen verkennen bzw. ignorieren. Zur Erläuterung der besonderen Situation in Jena: Die Stadt Jena war zu Beginn der Corona-Krise ein Hotspot. Nur aufgrund einer solidarischen Gemeinschaftsleistung mit Maßnahmen, die über die verhängten Landesverordnungen hinausgegangen sind, ist es gelungen, die rasante Ausbreitung des Coronavirus’ zu stoppen.
In dieser gesellschaftlichen Lage müssen wir als FC Carl Zeiss Jena akzeptieren, dass auch unser Sport-, Spiel- und Geschäftsbetrieb wie bei allen anderen Wirtschaftsunternehmen in Jena erheblich eingeschränkt ist. Die behördlichen Verfügungslagen erlauben uns derzeit keine Aufnahme von Mannschaftstraining. Möglich ist nur Training mit zwei Personen, also einem Trainer und einem Spieler. Auch eine Ausnahmegenehmigung für Kleingruppentraining unter Kontakt haben wir bislang nicht erhalten. Deshalb ist es uns schon rein faktisch gar nicht möglich, den Spielbetrieb zum vom DFB gewünschten Zeitpunkt zu starten. Nach dann zwölf Wochen ohne Mannschaftstraining wäre eine Vorbereitungszeit von nur zwei Wochen sehr ambitioniert, zumal unser Sportarzt bereits vor einer erheblichen Verletzungsgefahr ob des dann geforderten Pensums warnt.
Völlig zurecht haben DFL und DFB immer wieder auf die Notwendigkeit vorliegender Genehmigungen durch die örtlichen Behörden hingewiesen. Erinnern möchten wir in diesem Zusammenhang daran, dass keine behördliche Genehmigung besteht, den Spielbetrieb der 3. Liga wiederaufzunehmen. Die Sportministerkonferenz hat in ihrer Sitzung am 29. April 2020 einstimmig beschlossen, dass die 1. und 2. Bundesliga aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung den Spielbetrieb wieder aufnehmen kann. Im Beschluss heißt es, dass auch die Flyeralarm-Bundesliga der Frauen und der DFB-Pokal wieder starten können, sofern sich in den Bundesligen das Hygienekonzept bewährt. Auf diesen Beschluss nimmt die Bundesregierung gemeinsam mit den Regierungen der Bundesländer in ihrem Beschluss vom 6. Mai 2020 Bezug. Zu keinem Zeitpunkt war in dem Beschluss die Rede davon, dass auch die 3. Liga wieder den Spielbetrieb aufnehmen kann. Selbst wenn die Liga den Spielbetrieb aufnimmt, ist unter den unterschiedlichen Trainingsständen bei elf Spielen in fünf Wochen kein fairer Wettbewerb mehr möglich.
Uns „ein unwürdiges Schauspiel“ zu unterstellen, halten wir deshalb für äußerst bedenklich. Wir achten einzig die bestehende Gesetzeslage. Sollen wir diese brechen? Gleichwohl liegt es uns am Herzen, die 3. Liga in ihrem Bestand als Profiliga zu erhalten.
Am 13. Mai 2020 haben uns die Präsidenten der Landes- und Regionalverbände aufgefordert, ein Konzept für den Fortgang der dritten Liga vorzulegen. Dem Wunsch möchten wir gerne nachkommen. Uns ist bewusst, dass es einer breiten Debatte bedarf, um zu einer tragfähigen Lösung zu finden. Das braucht den Zusammenhalt aller Akteure und einen integrativ agierenden DFB.
Einige Kernüberlegungen haben wir hier zusammengefasst:
1. Aufgrund der behördlichen Verfügungslage ist die 3. Liga in dieser Saison 2019/2020 bis zum regulär benannten Endtermin am 30. Juni 2020 nicht zu Ende zu bringen. Aufgrund dieser behördlichen Auflagen muss die Saison auslaufen.
2. Der DFB möge sich dafür einsetzen, dass trotz des durch die behördlichen Verfügungen nötigen Abbruchs zwei Aufsteiger in die 2. Bundesliga gemeldet werden dürfen. Unter Beachtung des Hygienekonzeptes soll dem Drittplatzierten die Relegation ermöglicht werden.
3. Noch haben alle Mannschaften die Chance, die 3. Liga zu halten. Deshalb soll der Abstieg in die Regionalliga ausgesetzt werden.
4. Der DFB sollte den Regionalligen die vor der Saison vereinbarten vier Startplätze zur Verfügung stellen. Damit wächst die Zahl des Teilnehmerfeldes in der 3. Liga in der neuen Saison auf 24 Mannschaften.
5. Ziel muss es sein, das Teilnehmerfeld der 3. Liga mittelfristig auf 22 Mannschaften festzulegen. In der kommenden Saison steigen sechs Mannschaften ab. Ab der Saison 2021/22 wird die Zahl der Absteiger auf fünf reduziert. Dies ermöglicht ab derselben Saison, dass alle Meister der fünf Regionalligen direkt aufsteigen.
6. Aufgrund der höheren Teilnehmerzahl in der 3. Liga teilen sich die Erlöse aus der Zentralvermarktung auf mehr Vereine. Bei den aktuellen Summen bedeutet das eine Minderung der Ausschüttung um 192000 Euro. Dies können die Teilnehmer der dritten Liga durch die höhere Zahl von Heimspielen kompensieren.
7. Der DFB tritt in Gespräche mit den TV-Partnern ein, dass die für diese Saison vorgesehenen Zahlungen noch erfolgen. Die TV-Partner profitieren davon, in der neuen Saison mehr Spiele übertragen zu können. Durch das größere Fanpotenzial steigt die Reichweite in der neuen Spielzeit und damit auch die Chancen der TV-Partner, höhere Erlöse zu erzielen.
8. Zugleich bittet der Deutsche Fußball-Bund die bestehenden Premium-Sponsoren der 3. Liga, ebenfalls in kulanter Weise ihre Zusagen für diese Saison zu erfüllen. In der neuen Spielzeit profitieren auch die Partner von der höheren Anzahl von Vereinen, dem größeren Fanpotenzial und der höheren Zahl von Spielen.
9. Die Vereine der 3. Liga haben die Möglichkeit, bis zu einem Saisonstart im September das Hygienekonzept zu erfüllen. Einzelne Regelungen daraus werden an die objektiv vorhandenen Voraussetzungen der 3. Liga angepasst. Wir sind uns bewusst darüber, dass auch zum Beginn der neuen Spielzeit Geisterspiele nicht ausgeschlossen sind. Das müssen die Vereine in ihrer Kalkulation berücksichtigen. Die dankenswerterweise von den Champions-League-Clubs bedingungslos zur Verfügung gestellten 7,5 Millionen Euro werden in der neuen Spielzeit für notwendige Corona-Tests (auch in der Frauen-Bundesliga) eingesetzt. Die übrige Summe fließt paritätisch an alle berechtigten Vereine in beiden Ligen.
10. Wenn den Vereinen der 3. Liga zugemutet werden soll, jetzt ohne Vorbereitung binnen fünf Wochen elf Spiele zu absolvieren, wird es möglich sein, den um acht Partien erhöhten Plan in einer kompletten Spielzeit zu stemmen. Wir schlagen daher vor, im Rahmenspielplan die Zahl der englischen Wochen zu erhöhen und die Winterpause einzukürzen.
11. Für den Deutschen Fußball-Bund erhöhen sich die Verbandsabgaben der Vereine durch die höhere Anzahl von Spielen.
12. Zudem möchten wir dem Wunsch der Bundesligen nachkommen, die Ausbildung in der 3. Liga stärker in den Fokus zu rücken. Möglich wäre, über statuarische Regelungen jungen Spielern mehr Einsatzzeiten zu verschaffen. Zugleich tritt der DFB mit der DFL in Verhandlungen, den Nachwuchsfördertopf für diesen Zweck aufzustocken. Die dadurch generierten Einnahmen kommen den Drittligisten zugute. Die höhere Zahl von Talenten in den Kadern führt zudem zu einer Entlastung der Spieleretats.
Diese Punkte sehen wir als konstruktive Vorschläge, um in einen gemeinsamen, zielgerichteten Diskussionsprozess für die Rettung der 3. Liga einzusteigen. Wir sind uns bewusst, dass wir in dieser gesellschaftlich einmaligen Lage auf das Wohlwollen zahlreicher Partner, aber auch auf den solidarischen Zusammenhalt in der 3. Liga angewiesen sind. Wir bitten Sie deshalb, im Interesse einer tragfähigen Lösung um die Aufnahme von Gesprächen. Dazu sind alle eingeladen, denen an einer Lösung liegt, uns ihre Rückmeldung, Ideen und Ansätze wissen zu lassen, um im gemeinsam Dialog statt einem Klima gegenseitiger Vorhaltungen einen Weg aus der Krise zu finden.
Mit sportlichen Grüßen
FC Carl Zeiss Jena